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Ich bin psychisch krank und will arbeiten: “Es wird mir unglaublich schwer gemacht”

Kathrin war nach verschiedenen psychischen Erkrankungen und zwei Gehirnblutungen arbeitsunfähig. Sie sei nicht dauerhaft fähig, sich selber zu erhalten, attestierte ihr ein Arzt. Sie wollte und will jedoch arbeiten. Was sie wirklich darüber denkt, wie schwer der Weg zurück in die Arbeitswelt ist - und warum sie findet, dass das System in Österreich ihr dabei im Weg steht. Ich bin ein Stehaufmännchen. Heute. Das war nicht immer so. Nach unterschiedlichen psychischen Erkrankungen und zwei Hirnblutungen konnte ich mehrere Jahre lang nicht arbeiten. Mit nicht einmal 30 Jahren stellte mir ein Arzt ein Attest aus, dass ich „voraussichtlich nicht dauerhaft selbsterhaltungsfähig“ bin. Ich also nicht in der Lage bin, für mich selbst zu sorgen. Ich möchte aber für mich selbst sorgen. Doch es ist schwerer als es sein müsste. Das System versagt. Ich möchte wieder für mich und mein Leben sorgen Ich möchte wieder für mich und mein Leben selbst sorgen. Ich möchte und muss auch arbeiten. Das Rehabilitationsgeld, das ich in den vergangenen Jahren bezogen habe, wurde mir entzogen. Eine Invalidität liege nicht mehr vor. Deshalb beziehe ich nun Mindestsicherung sowie einen Behindertenzuschlag und die erhöhte Familienbeihilfe. Damit komme ich gerade recht gut über die Runden. Ich möchte und muss aber eben arbeiten. Vollzeit zu arbeiten werde ich allerdings nicht schaffen - und von einer Teilzeitanstellung kann ich nicht leben. Ein Ausgleichsmodell gibt es nicht. Damit stehe ich wieder vor Existenzsorgen. Vor jenen Sorgen, die mich in diese Situation gebracht haben.

Nach einer psychischen Erkrankung „nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen“

Mit 16 Jahren entwickelte ich eine Essstörung. Damals besuchte ich noch die Tourismusschule. Später kam eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung hinzu. Die Schule, das Studium, das Leben waren für mich ein Kampf. Der Leistungsdruck war hoch, das Geld knapp. Die Vorerkrankungen, der Leistungsdruck, Stress und dann noch die Existenzängste trieben mich in eine Alkoholsucht. Es folgten noch zwei Gehirnblutungen. Ich war an einem Punkt, an dem Arbeiten für mich nicht mehr möglich war. Ein Arzt attestierte, dass ich nicht in der Lage sein werde, für mich selbst zu sorgen. Das war mit nicht einmal 30 Jahren ein Schlag ins Gesicht. Ich wollte immer arbeiten und habe auch in meiner Schulzeit und neben dem Studium gearbeitet. Doch mit diesem Attest landete ich in einem System, das mir das erschweren sollte. Der Fokus liegt immer auf der psychischen Erkrankung Nach monatelangen Kämpfen wurde das Rehabilitationsgeld bewilligt und ich erhielt eine erhöhte Familienbeihilfe. Das war eigentlich nur eine Atempause. Denn das Geld war trotzdem oft knapp und um die Unterstützung zu behalten, musste ich jedes Jahr wieder und wieder meine Geschichte erzählen. Das bedeutet auch: Ich musste meinen Leidensweg, meine Tiefpunkte immer wieder neu durchleben. Immer wieder musste ich mir bestätigen lassen: Du bist krank. Jedes Mal war das retraumatisierend für mich. In diesem Prozess wird es selten zum Thema, dass es Fortschritte gibt, oder positive Zukunftsperspektiven und Möglichkeiten, wieder zurück in ein normales Arbeitsleben zu finden. Mein Fokus wurde stattdessen immer wieder auf die Erkrankung gelenkt. Darauf, dass ich nicht in der Lage bin zu arbeiten. Mir wurde vermittelt, dass ich in dieser Gesellschaft nichts wert bin. Diese Stigmatisierung belastet zusätzlich und macht es nur noch schwieriger, zu heilen und seinen Weg zurück in das Arbeitsleben zu finden. Was ich immer wollte. Es braucht ein Unterstützungssystem für Menschen mit einer psychischen Erkrankung Das Eis, auf dem sich Menschen mit einer psychischen Erkrankung bewegen, ist dünn. Das wird nicht gesehen, geschweige denn berücksichtigt. Ich muss dauerhaft gut auf mich Acht geben, ansonsten kann das Eis auch ganz schnell brechen. Es braucht ein stabiles Unterstützungssystem, um wieder in das Berufsleben zu starten und dort langfristig zu bleiben. Lange Zeit hatte ich kein solches Unterstützungssystem. Das Verhältnis zu meiner Familie war schwierig, die Erkrankungen und die finanzielle Lage machten es schwer, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und Freundschaften zu pflegen. Heute habe ich das. Ich habe Ansprechpartner:innen in schwierigen Zeiten, meine Therapeutin, Familie, Freund:innen. Aktuell mache ich die Ausbildung zur Trainerin und psychologischen Beraterin in der Lebens- und Sozialberatung. Als solche möchte ich zukünftig meine Erfahrungen teilen, Bewusstsein schaffen und Hoffnung geben. Ich möchte Menschen unterstützen, wo sie es brauchen. Wo ich es gebraucht habe. Doch eigentlich sollten der Staat und seine Einrichtungen ein solches Unterstützungssystem bieten. Für mich waren und sind sie das nicht. Quelle: Artikel in MOMENT


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