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Kali Recovery – Mental Health Blog by Natascha Schlachtner

Meine erste psychologische Diagnose erhielt ich bereits mit 19. Damals hieß es „nur“ mittelgradige Depression. Wie so viele andere auch, hab ich das nicht so wirklich ernst genommen. Ich war jung, ging arbeiten, hab mein Leben gelebt und dachte, ich brauch keine Therapie odgl, denn „ich komm ja eh zurecht“. So lief es einige Jahre.

Mit Mitte 20 ging dann erst mal gar nichts mehr; meine psychische Verfassung ist massiv abgestürzt. Ich bekam Panikattacken (zu der Zeit hielt ich es für Nervenzusammenbrüche, denn ich kannte sowas noch nicht), hab mich vermehrt selbst verletzt und hatte auch immer mal wieder Suizidgedanken. Ich hab kaum noch was gegessen und innerhalb kurzer Zeit stark abgenommen. Doch auch ein erneutes Gutachten ergab wieder „nur“ mittelgradige Depression mit Verdacht auf Dysthymie. Zu der Zeit hatte ich im Einzelhandel gearbeitet und verlor meinen Job aufgrund meines Krankenstandes. Da die Arbeit einer meiner größten Stressoren war, welcher durch die Kündigung wegfiel, hat sich meine Verfassung wieder allmählich gebessert und wieder war ich davon überzeugt, keine Hilfe zu brauchen. Allerdings war es ein Irrtum, denn diese Stelle im Einzelhandel war die letzte richtige Fixanstellung, die ich hatte. Ich hab danach zwar beruflich versucht, voranzukommen, hab diverse Weiterbildungen gemacht und wollte etwas erreichen, aber irgendwie wollte nichts funktionieren. Ich hab ein Unternehmen gegründet, war für einen kurzen Moment stolz darauf, mit unter 30 selbstständig zu sein, musste aber auch das nach nur 1,5 Jahren beenden, weil es sich nicht richtig aufbauen ließ und finanziell nicht weiterging. In Kombination mit einigen anderen Belastungen, kam es dann 2017 zu einem erneuten mentalen Absturz mit denselben Problemen, wie beim ersten. Ich hab mich erneut zu einem klinisch psychologischen Gutachten entschieden und zu meiner Überraschung bekam ich eine völlig neue Diagnose; wie sich herausstellte, hab ich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung und eine Anpassungsstörung, 2019 kam dann noch eine Binge Eating Störung dazu, unter der ich fast mein ganzes Leben litt, ohne mir dessen bewusst zu sein. Folgendes klingt nun im ersten Moment befremdlich, aber ich hab mich über die Borderline-Diagnose in gewisser Weise gefreut. Nicht darüber, sie überhaupt zu haben, aber nachdem ich mich immer mehr damit auseinandergesetzt hab, hab ich deutlich gemerkt, wie sehr vieles auf mich zutrifft. Ich hab immer mehr über mich, mein Verhalten und meine Vergangenheit verstanden, hatte endlich eine klare Diagnose, mit der ich mich auch tatsächlich identifizieren konnte. Und mir wurde endlich bewusst, dass es an der Zeit ist, doch entsprechend fachliche Unterstützung in Erwägung zu ziehen. An dieser Stelle möchte ich kurz einwerfen, dass ich Depressionen grundsätzlich natürlich nicht als harmloser ansehen oder dergleichen, daher auch die Anführungsstriche. Ich hab es nur für mich persönlich nie so ernst genommen, weil ich – wie oben schon erwähnt – immer funktioniert hab, mit allem soweit zurechtkam, und mir dachte, so „ein bisschen Auf und Ab“ ist ja nicht so tragisch. Ich hatte nie ein Problem mit den Diagnosen, hab mich nie dafür geschämt oder hatte das Gefühl, was verstecken zu müssen, es schien mir einfach nur nicht so schlimm zu sein. Nachdem ich die Diagnose erhielt, hab ich mich viel damit beschäftigt, unter anderem durch den offenen Umgang anderer Betroffener. Ich hab mir ihre Videos und Texte angesehen und was sie von sich selbst und ihren Erfahrungen erzählt haben, klang zu einem sehr großen Teil sehr bekannt. Informationen aus der Sicht von ebenfalls Betroffenen sind so viel hilfreicher als nur trockene Beschreibungen von Symptomen. Das hat für mich vieles ins Rollen gebracht. Nicht nur, dass ich endlich eine Psychotherapie begann, ich fing auch an, selbst offen mit allem umzugehen. Ich hab Ende 2017 eine eigene Facebook-Seite erstellt und ein Instagram-Profil dazu, kurz darauf hab ich auch eine eigene Homepage erstellt, welche ich zwischenzeitlich nochmal komplett überarbeitet und in welche ich einen Blog eingebaut hab. Nach langem Überlegen und Probieren hab ich mein eigenes, einheitliches Design fertiggestellt, mit einem Logo, einem Slogan, und mein gesamter Internet-Auftritt ist aufeinander abgestimmt. Seit mittlerweile über vier Jahren setz ich mich auf diesem Weg gegen Stigmatisierung und Vorurteile ein, teile allgemeine Informationen und Artikel und schreibe auch über mich, meine Erfahrungen, meine Erlebnisse und meine Emotionen, was mich aktuell beschäftigt oder belastet und auch, was mir hilft. Ich möchte mich aber nicht nur auf die virtuelle Welt beschränken. Daher hab ich auch Printmedien designt und vorbereitet, hier fehlt mir zurzeit allerdings noch das nötige Kleingeld für den Druck. Worüber ich mich im Moment aber ganz besonders freue, ist mein eigenes Design auf Shirts, Tassen und Einkaufstaschen. Lang hab ich darüber nachgedacht, mich auch an sowas zu wagen und nun hab ich es endlich getan. Ich möchte auch für die reale Welt etwas bieten, das Solidarität und Zusammenhalt ausdrückt und zugleich eine klare Aussage vermittelt. Was mir von Anfang an auch wichtig war, war das Knüpfen von Kontakten und eine mögliche Zusammenarbeit mit anderen, die sich für dasselbe Thema einsetzen. Dafür hab ich auch einen eigenen Bereich auf meiner Homepage eingerichtet, in welchem Vereine, andere Blogger und weitere sich und ihre Arbeit vorstellen können. Es liegt mir sehr am Herzen, die vorherrschende Situation für Betroffene psychischer Erkrankungen zu verbessern, zumal ich aus eigener Erfahrung sagen kann, ich weiß, wie schwer wir es haben. Zudem möchte ich helfen, das teils sehr vorurteilsbehaftete Bild psychisch erkrankter Menschen und das generelle Verständnis für eben solche Erkrankungen in der Gesellschaft zu verbessern. Viele Konflikte ergeben sich aufgrund von Fehlinformationen, was eine offene und ehrliche Kommunikation für Betroffene, Angehörige und auch Außenstehende sehr schwer macht. Das führt immer wieder dazu, dass sich Betroffene ihre Erkrankungen nicht eingestehen wollen, oder diese zumindest für sich behalten, aus Angst vor Verurteilung und Stigmatisierung; sie haben das Gefühl, völlig allein zu sein, was ihre Verfassung nicht verbessert, sondern noch eher verschlechtert. Angehörige wiederum stehen der Problematik häufig sehr hilflos gegenüber, da sie selbst nicht wissen, wie sie richtig damit umgehen sollen. Und Außenstehenden, die weder persönlich noch in ihrem Umfeld Erfahrung sammeln konnten – oder mussten – sind in vielen Fällen jene, die entsprechende Vorurteile und Stigmatisierungen noch weiter anheizen. In jedem Fall sind sinnvolle und hilfreiche Informationen unerlässlich für ein gutes Miteinander. Ich hoffe, dass es irgendwann endlich so sein wird, dass psychische Erkrankungen genauso normal und alltäglich behandelt werden, wie physische; sowohl fachlich wie auch im persönlichen und gesellschaftlichen Rahmen. Betroffene psychischer Erkrankungen sollten dieselbe uneingeschränkte medizinische Behandlung erhalten, wie Menschen mit Diabetes, Krebs oder dergleichen. Und sie sollten in der Lage sein, genauso offen über ihre Sorgen und Ängste in Bezug auf ihre mentale Verfassung reden zu können, wie andere in Bezug auf ihr körperliches Befinden. Niemand sollte sich für eine Erkrankung schämen müssen!




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