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AutorenbildBrigitte Heller

Depression – der Versuch einer Annäherung

Wolfang, Teammitglied und Schriftsteller, über seine Depressionen


Es herbstlt. Der überproportionale Anstieg des Rückgangs der Tageslichtlänge treibt die Melancholie in die Knochen mancher Lichtabhängiger. Für andere ist es nur das drohende Ende eines vielleicht schönen Sommers und der Beginn einer neuen Jahreszeit, der natürliche Kreislauf der Natur. Doch manche kontrollieren bereits ihre Tageslichtlampen, um dieser Natürlichkeit ein wenig entgegen zu wirken. Sie leiden unter der Herbstdepression. Doch dies ist nur eine von vielen Formen von Depression.

Letztes Jahr hat es mich ordentlich erwischt. Gegen jede Logik begann meine Depression bereits am Beginn des Sommers und reichte bis in den Frühling hinein. Ich möchte über dieses Erstarren im Nichts Worte finden. Das ist nicht einfach. Wie soll man etwas beschreiben, das aus Leere besteht? Ich versuche es mit einem neuen Ansatz.


Wissen die Eltern noch, wie es in der Schule war? Ich kann mich gut daran erinnern. Ich bin in vier Schulen gegangen. Überall passierte es gleich. Natürliche Bedürfnisse von Minderjährigen wurden mittels Druck und Zwang in ein vorbestimmtes Schema gepresst. Die Schule soll auf das Leben vorbereiten. Leben heißt Funktionieren in der Leistungsgesellschaft. Es wird ausgesiebt. Kinder ertragen viel. Was wirklich passiert, offenbart sich oft erst viel später.

Dem Druck der Außenwelt kann man manchmal nur entkommen, indem man ihn nach Innen richtet. Dort lähmt er den Kopf und den Körper. Auch die Aggressionen die durch das Nichtfunktionieren in einer scheinbar ringsherum wunderbar funktionierenden Welt entstehen, werden sofort nach Innen gerichtet, wo sie konzentriert sämtliche Körper- und Geistesfunktionen blockieren. Unberechtigterweise fühlt man sich faul. Damit hat Depression jedoch nichts zu tun, es geht einfach nichts mehr. Jedes Tun wird zu einer Unmöglichkeit. Jeder Schritt zum Hochleistungssport, jeder Kontakt zur Überforderung, das Leben steht still, kein Inhalt, kein Sinn, kein Gefühl, sowohl Glück, Zufriedenheit, Liebe, als auch Hass existieren nicht mehr. Manchmal erreichen Angst und Verzweiflung das getrübte Bewusstsein. Hinzu kommt eine Zeitlosigkeit, man kann sich nicht vorstellen, dass sich dieser gegenwärtige Zustand jemals wieder ändern könnte. Man liegt einfach nur da und hofft, dass die Welt draußen bleibt. Hin und wieder dreht man sich von der einen auf die andere Seite, um unterschiedliche, meist weiße Wände anzustarren. Manchmal treibt der Hunger zum Kühlschrank, wo man vielleicht noch etwas Essbares findet. Lustlos stopft man das dann in sich hinein.


Es gibt eine gute Nachricht: Jede Depression wird irgendwann enden! Auch wenn die Antidepressiva nicht wirken, auch wenn Wochen vergehen ohne jede Veränderung, auch wenn man es eben nicht schafft, wenigstens einmal pro Tag einen kurzen Spaziergang draußen zu machen. Irgendwie sollte man Selbstmordgedanken überlisten. Natürlich sollte man auch alle nur mögliche professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Für mich gilt es jedoch, die Depression anzunehmen, sie auszuleben, sie zu sein. Das ist zwar auch eine Überforderung, aber der Weg durch die Depression mit ihr ist leichter als gegen sie gerichtet. Das Kämpfen habe ich aufgegeben, weil es immer aussichtslos gewesen ist, und meine verbliebenen Kräfte nur noch weiter geschwächt hat.

Heuer geht es mir besser. Das Verständnis über komplizierte Zusammenhänge wie Druck – Zwang – persönliche Entwicklung – derzeitige Situation, usw., die ich in jahrelanger Therapie erarbeitet habe, machen meine Erkrankung, bipolare affektive Störung, die als unheilbar gilt, leichter. Mit den Jahren erlernte ich Fähigkeiten und konnte einiges ändern in meinem Leben. Die Wirklichkeit, in der wir leben, erkannte ich dabei als eine, die viele Depressionen in der Welt hinterlässt. Wolfgang malt auch, hier eines seiner Bilder zum Thema:




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